Lawinenunfall Kitzbühler Alpen
"Eine Freundin von mir (Stina S.) und ich wollten am Samstag von der Resterhöhe über das Stangenjoch nach Aschau in Tirol abfahren. Wegen der schlechten Sicht verirrten wir uns aber. Bei der Suche nach der richtigen Abfahrt querten wir einen nicht allzu steilen, in westliche Richtung ausgerichteten Hang, den ich fälschlicherweise als nicht lawinengefährdet einschätzte und lösten ein Schneebrett aus. Wir wurden beide sofort umgerissen. Ich rutschte seitlich mit dem Kopf oben talwärts. Ich kann von den ersten Sekunden nicht viel berichten, da ich mich voll auf die Ausloesung des Airbags konzentrierte. Ich zog sofort am Ausloeser (ging problemlos) und der Airbag begann sich aufzublasen. Das Aufblasen ging relativ schnell und ich konzentrierte mich jetzt auf den Weg, den die Lawine nahm.
Ich blieb den ganzen Weg in der gleichen Position (ungefähr so wie in einer Wasserrutsche), das heisst die Füße waren talwaerts (Skier am Anfang nicht ausgelöst, gegen Ende hatte einer ausgelöst) und ich in einer halb sitzenden halb liegenden Position mit Blick nach unten. Mein Unterkörper und meine Beine waren in der Lawine und mein Oberkörper und Kopf außerhalb. Ich hatte das Gefühl, dass mir der Airbag Einiges an Auftrieb in der Lawine gab. Nach einigen Metern ging die Lawine ueber eine Kante und in steileres Gelände und beschleunigte. Nichtsdestotrotz ging es für mich in der gleichen Position weiter. Am Talboden wurde das Gelände flacher und verjüngte sich. Dort staute sich der Schnee und ich wurde tiefer eingegraben (allerdings nur bis Brusthöhe). Ich wurde in keinem Moment in der Lawine umhergewirbelt. Das Ziehen des Ballons via Gurt habe ich wahrgenommen und zwar vor allem als die Lawine zum Stillstand kam.
Als ich mein zweites Bein ausgrub fand ich Stinas Ski auf der Höhe meines rechten Unterschenkels. Ihre Bindung hatte zum Glück nicht ausgelöst und so konnte ich sie schnell ausgraben ohne das LVS und die Sonde benutzen zu müssen. Ich legte zunächst ihren Mundbereich frei, damit sie atmen konnte und grub sie dann komplett aus. Bis zum Freilegen des Mundbereichs waren schätzungsweise 6 Minuten vergangen. Sie atmete sofort, war aber die ersten Minuten nicht ansprechbar. Nach weniger Zeit war sie auch ansprechbar. Am Anfang tat ihr noch etwas eines ihrer Beine weh, da sie etwas verdreht in der Lawine lag, aber das gab sich nach einigen Minuten.
Ich rief dann mit meinem Handy um Hilfe. Wegen der extremen Witterung konnte der Notarzthubschrauber nicht landen und setzte zwei Retter unter uns im Tal ab, die dann zu uns aufstiegen. Nach Absprache mit ihnen stiegen wir die Hälfte des Lawinenkegels auf und gruben dann eine Schneehöhle, da es inzwischen zu dunkel war und wir kein weiteres Risiko eingehen wollten. Nachdem die Hubschrauberrettung nicht möglich war, wurden weitere Mitglieder der Bergwacht alarmiert, die von der anderen Seite zu uns aufstiegen. Die Bergwacht war sehr gut organisiert und wir sind allen Beteiligten sehr dankbar für die sehr professionelle Rettung. Mein Fazit bezüglich dem Airbag: Man kann nicht sagen ob ich ohne den Lawinenairbag sicher verschüttet worden wäre, aber angesichts der Tatsache, dass ich in keinem Moment unter der Lawine war, Stina schon relativ früh und ich im Auslaufbereich nur teilverschüttet war und Stina 1,50 Meter unter dem Schnee lag, gehe ich davon aus, dass auch ich verschüttet gewesen wäre und nicht in der Lage gewesen wäre mich selber zu befreien. Angesichts der Wetterlage und der von uns gewählten Abfahrt denke ich, dass die Bergrettung mindestens mehr als eine Stunde (wenn nicht sogar bis zum nächsten Tag) gebraucht hätte um uns zu finden. Daher denke ich, dass weder Stina noch ich diesen Lawinenabgang ohne meinen Airbag überlebt hätten."
Daniel B.